Banker oder Spanner?

Neulich hab ich mir überlegt, wie wohl ein Nachmittag auf Social Media aussehen würde in der realen Welt, also in meinem kleinen Züri-Universum. Drauf gekommen bin ich wegen der Statusmeldungen auf Whatsapp, kennen Sie die? Dazu später mehr. Gehen wir mal real, ich starte auf der Bahnhofstrasse. Wie Instagram, nur live: Viel teures Zeugs im Schaufenster, grosser Habenwollen-Effekt. Ab und zu quetscht sich ein No-Name-Anbieter dazwischen – billig, dafür in Neonfarben oder mit einem Strassenaufsteller, der mich fast zu Fall bringt. Und dann die Leute … Ich meine, da sind halt nicht nur Freunde und Followers, da rempeln mich Wildfremde an, drängen sich mir auf, die ich, nein, nicht like und so nah gar nicht haben möchte. Fertig Instagram. Ich gehe paar Strassen weiter, biege einmal falsch ab und – bäm! – nur noch Businessanzüge soweit das Auge reicht! Hui, ich bin aus Versehen auf dem Paradeplatz und somit im Bankenviertel gelandet. Willkommen auf Linkedin! Alle so seriös, mit wichtigem Zeugs unter dem Arm und einem extra-zielstrebigen Blick unterwegs. Fertig seichte Unterhaltung, jetzt geht’s um die wirklich harten Dinge im Leben. Karriere! Vorwärtskommen! Ich-kann-übers-Wasser-laufen! Hilfe, in dieser Umgebung, real oder virtuell, kriege ich regelmässig ein schlechtes Gewissen … was fällt mir ein, hier so larifari-mässig rumzuhängen, ohne Ziel und ohne Plan? Mir reichts für heute. Ich steige ins Tram und fahren heimwärts. Und jetzt kommt mein Whatsapp-Statusmeldung-Moment! Während ich in der Dämmerung so durchs Quartier gondle, blicke ich in die hell erleuchteten Wohnzimmer und… uups, manchmal sogar in ein Badezimmer. Ein bisschen wie bei den Statusmeldungen eben. Da werden meistens höchst private Momente rausgehauen, bei denen mich nicht selten das Gefühl beschleicht, direkt ins Schlafzimmer dieses Menschen zu sehen, von dem ich manchmal (ziemlich oft…) nicht mal mehr genau weiss, wie der in mein Telefon gekommen ist.

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