Eine Stunde in Manhattan

Gestern Nachmittag waren wir in Manhattan – Herr A. und ich, eine Stunde lang. Lang genug, um das Heim- bzw. Fernweh voll zu entfachen. Eine Stunde in New York? Ha – ich sag nur, TECHNISCH ist alles möglich. Ich bin mir bewusst, dass ich mich jetzt als extrem rückständig oute, aber was solls. Herr und Frau A. haben gestern sozusagen das allererste Mal MIT Bild und allem ge-scypet. Jaja, ich weiss, diese Form der Kommunikation ist so neu nicht. Aber wir stehen technischen Neuerungen von Natur aus eher skeptisch gegenüber… Schliesslich haben wir auch erst seit zwei Wochen Bluewin-TV (faszinierend!), das sagt eigentlich schon alles.

Nun also dieser Skype-Termin an einem wunderschönen Frühsommer-Nachmittag in Höngg. Erst dachte ich mir, schade, wäre doch vielleicht lieber noch ein bisschen auf der Werdinsel geblieben, aber mit Zeitverschiebung mussten wir uns halt auf eine Uhrzeit einigen und die war nun mal 15h Schweiz/9h NYC. So sassen wir also wie Herr Hahn und Frau Henne auf zwei nahe beieinander stehenden Stühle (wir wollten ja schliesslich beide im Bild sein!) in meinem Bürolein, starrten in den Compi und starteten diese wundersame Verbindung. Und – PLOPPPPPPPPPP – sitzen wir eine Sekunde später unseren Freunden in Harlem gegenüber! Jesses, es war fast so, als sässen wir dort, an dem Esstisch am Morningside-Drive, wo wir so manchen weinseligen Abend verbracht haben mit Gesprächen und Zigaretten und Lachen und dem wahrlich besten New York Cheescake weltweit.

Doch in New York herrschten gestern 5 fröstelige Grade und wir sassen nach wie vor in meinem sonnigen Büro in Höngg bei über 20 Grad – es war wirklich magisch.

Also, von aussen betrachtet sah es wohl schon ein klein bisschen komisch aus, könnte ich mir vorstellen: Da sitzen diesseits des Ozeans zwei erwachsene Personen, eng aufeinander und quetschen ihre Köpfe so nah wie möglich an diese winzig-kleine Linse oben am PC. Jenseits des Ozeans drängeln sich sogar deren vier Köpfe in den Bildschirm. Und alle grinsen sie und winken und findens gaaanz gaaaanz wahnsinnig, was heutzutage so möglich ist.

Ist es auch. Und, das habe ich schon früher beim Ohnebild-Skypen festgestellt, das Beste daran ist nämlich folgendes: Es kann immer nur einer aufs Mal reden! Das heisst, sobald man anfängt zu reden, hört man den anderen nicht mehr. Das heisst weiter, dass mir dieses System wohl gesinnt ist, denn ich neige dazu, den Leuten ins Wort zu fallen. Somit bin beim skypen also meistens ich am Reden. Und weil ich grundsätzlich mitteilsamer bin als beispielsweise Herr A., haben wir uns gestern ganz gut ergänzt. Eventuell kam die Manhatten-Truppe etwas zu kurz diesbezüglich – aber das war ja schliesslich unsere Skype-Premiere. Wir sind noch am Üben und bei unserem nächsten virtuellen Besuch in New York werde ich mich in Schweigen und Zuhören üben – versprochen.

die textwerkstatt